Tätigkeitsgerechte Unterstützung durch Exoskelette mit aktiven Antrieben
Publication date
2023
Document type
PhD thesis (dissertation)
Author
Otten, Bernward
Advisor
Referee
Matthiesen, Sven
Granting institution
Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg
Exam date
2022-12-15
Organisational unit
Part of the university bibliography
✅
DDC Class
620 Ingenieurwissenschaften
Abstract
Bereits in den 80er-Jahren wurde deutlich, dass physische menschliche Arbeit auch mit beträchtlichem
Aufwand nicht komplett durch Automatisierung zu ersetzten ist. Wenngleich sich die Fähigkeiten der Maschinen in den letzten dreißig Jahren deutlich erweitert haben und viele repetitive Tätigkeiten heute durch Maschinen ausgeführt werden, wird der Mensch als physisch agierende Arbeitskraft in vielen Bereich der Produktion weiterhin benötigt und kann sich nicht allein auf eine überwachende Rolle zurückziehen.
Mit physischer Arbeit einher geht eine Belastung des Muskelskelettsystems, die insbesondere für Zwangshaltungen wie Tätigkeiten in und über Kopfhöhe mit dem Auftreten arbeitsbedingter Muskelskeletterkrankungen (wMSD) verbunden ist. Während dies in früherer Zeit toleriert wurde, steigt mit dem demographischen Wandel der Druck, die Risiken durch physische Belastung am Arbeitsplatz zu reduzieren. Gemäß Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeber
verpflichtet hierbei ursächlich vorzugehen und zunächst die Arbeitsplätze umzugestalten. Oftmals ist dies jedoch praktisch unmöglich oder wirtschaftlich nicht tragbar. Um auch in diesen Fällen die Belastung zu reduzieren, werden seit einigen Jahren Exoskelette mit dem Ziel getestet, die Belastung durch bspw. Zwangshaltungen zu reduzieren und physisch anstrengende Arbeit angenehmer zu gestalten.
Bisher entwickelte Exoskelette für die Arbeitswelt sind in erster Linie passiv und daher nur bedingt auf die Tätigkeit abstimmbar. Aktuell bestehende aktive Exoskelette sind oftmals schwer und basieren technologisch auf Komponenten aus der industriellen Robotik. Im Rahmen dieser Arbeit wurde daher untersucht, welche Anforderungen für aktive Exoskelette zur Unterstützung des Hebens, Haltens und Tragens insbesondere im Bereich des Antriebs und der
Steuerung zu berücksichtigen sind und wie diese beispielhaft für ein aktives Exoskelett zur Unterstützung von Tätigkeiten in und über Kopfhöhe umgesetzt werden können.
Neben der aktiven Antriebs- und Steuerungstechnologie wurde auch eine morphologische Struktur des Exoskeletts entwickelt, um die Eigenschaften des aktiven Antriebs zu berücksichtigen. Dabei hat sich gezeigt, dass nah am Körper verlaufende Strukturen vorteilhaft sind, da diese sowohl bei Haupt- als auch bei Nebentätigkeiten weniger stören als ausladende nicht-anthropomorphe Kinematiken. Trotz körpernahem Verlauf der Struktur konnte diese so gestaltet werden, dass ein aktiver Antrieb je Seite ausreicht und die restlichen Freiheitsgrade freilaufend ohne Antrieb ausgeführt werden können.
Als Antrieb hat sich für die Anwendung beim Heben, Halten und Tragen im Vergleich mit elektrischen Antrieben der pneumatische Antrieb als überlegen hinsichtlich Gewicht, Trägheit und autonomer Laufzeit herausgestellt. Dieser wurde daher für die praktische Umsetzung ausgewählt.
Aufbauend auf Erkenntnissen der Kognitionspsychologie zur physischen Interaktion von Menschen wurde ein durch den Nutzer während der Tätigkeit beeinflussbares aktives Steuerungskonzept entwickelt und mit unterschiedlichen während der Aufgabe konstant unterstützenden passiven Modi verglichen. In qualitativen Untersuchungen mit 8 Probanden hat sich gezeigt, dass durch einen aktiven Unterstützungsmodus der wahrgenommene Widerstand beim Senken der Arme reduziert werden kann. In quantitativen Messungen der Muskelaktivität mittels Oberflächen-Elektromyographie (sEMG) konnte dieser Vorteil des aktiven Modus gegenüber dem passiven Modus bisher nicht durch eine verringerte Aktivität der zum Senken des Arms notwendigen Muskulatur bestätigt werden. Gleichsam zeigen sEMGMessungen eine Reduktion der Muskelaktivität im Bereich der Schulter und des Rückens und somit eine Entlastung dieser Bereiche an.
Insgesamt konnte das Potenzial aktiver Exoskelette zur Unterstützung beim Heben, Halten und Tragen gegenüber passiven Exoskeletten bestätigt werden. Insbesondere bei hohen und wechselnden Lastgewichten sind aktive gegenüber passiven Exoskeletten vorteilhaft.
Aus methodischer Sicht konnte zudem dargestellt werden, dass sich die im Rahmen der Entwicklung von Exoskeletten auftretenden Prozesse an Hand wiederkehrender Handlungsmuster strukturieren lassen. Durch Orientierung an diesen wiederkehrenden Handlungsmustern konnte die Entwicklung über verschiedene technische Domänen (Mechanik, Antriebstechnik und Software) methodisch angeglichen werden und ein Transfer von Funktionen zwischen den Domänen erleichtert werden. Neben dieser übergeordneten methodischen Ausrichtung wurde zudem demonstriert, welchen Beitrag eine ganzheitliche, an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtete, Entwicklung von Exoskeletten und dabei insbesondere die Berücksichtigung von Erkenntnissen der Kognitionspsychologie und Biomechanik auf die Anforderungsklärung haben kann.
Aufwand nicht komplett durch Automatisierung zu ersetzten ist. Wenngleich sich die Fähigkeiten der Maschinen in den letzten dreißig Jahren deutlich erweitert haben und viele repetitive Tätigkeiten heute durch Maschinen ausgeführt werden, wird der Mensch als physisch agierende Arbeitskraft in vielen Bereich der Produktion weiterhin benötigt und kann sich nicht allein auf eine überwachende Rolle zurückziehen.
Mit physischer Arbeit einher geht eine Belastung des Muskelskelettsystems, die insbesondere für Zwangshaltungen wie Tätigkeiten in und über Kopfhöhe mit dem Auftreten arbeitsbedingter Muskelskeletterkrankungen (wMSD) verbunden ist. Während dies in früherer Zeit toleriert wurde, steigt mit dem demographischen Wandel der Druck, die Risiken durch physische Belastung am Arbeitsplatz zu reduzieren. Gemäß Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeber
verpflichtet hierbei ursächlich vorzugehen und zunächst die Arbeitsplätze umzugestalten. Oftmals ist dies jedoch praktisch unmöglich oder wirtschaftlich nicht tragbar. Um auch in diesen Fällen die Belastung zu reduzieren, werden seit einigen Jahren Exoskelette mit dem Ziel getestet, die Belastung durch bspw. Zwangshaltungen zu reduzieren und physisch anstrengende Arbeit angenehmer zu gestalten.
Bisher entwickelte Exoskelette für die Arbeitswelt sind in erster Linie passiv und daher nur bedingt auf die Tätigkeit abstimmbar. Aktuell bestehende aktive Exoskelette sind oftmals schwer und basieren technologisch auf Komponenten aus der industriellen Robotik. Im Rahmen dieser Arbeit wurde daher untersucht, welche Anforderungen für aktive Exoskelette zur Unterstützung des Hebens, Haltens und Tragens insbesondere im Bereich des Antriebs und der
Steuerung zu berücksichtigen sind und wie diese beispielhaft für ein aktives Exoskelett zur Unterstützung von Tätigkeiten in und über Kopfhöhe umgesetzt werden können.
Neben der aktiven Antriebs- und Steuerungstechnologie wurde auch eine morphologische Struktur des Exoskeletts entwickelt, um die Eigenschaften des aktiven Antriebs zu berücksichtigen. Dabei hat sich gezeigt, dass nah am Körper verlaufende Strukturen vorteilhaft sind, da diese sowohl bei Haupt- als auch bei Nebentätigkeiten weniger stören als ausladende nicht-anthropomorphe Kinematiken. Trotz körpernahem Verlauf der Struktur konnte diese so gestaltet werden, dass ein aktiver Antrieb je Seite ausreicht und die restlichen Freiheitsgrade freilaufend ohne Antrieb ausgeführt werden können.
Als Antrieb hat sich für die Anwendung beim Heben, Halten und Tragen im Vergleich mit elektrischen Antrieben der pneumatische Antrieb als überlegen hinsichtlich Gewicht, Trägheit und autonomer Laufzeit herausgestellt. Dieser wurde daher für die praktische Umsetzung ausgewählt.
Aufbauend auf Erkenntnissen der Kognitionspsychologie zur physischen Interaktion von Menschen wurde ein durch den Nutzer während der Tätigkeit beeinflussbares aktives Steuerungskonzept entwickelt und mit unterschiedlichen während der Aufgabe konstant unterstützenden passiven Modi verglichen. In qualitativen Untersuchungen mit 8 Probanden hat sich gezeigt, dass durch einen aktiven Unterstützungsmodus der wahrgenommene Widerstand beim Senken der Arme reduziert werden kann. In quantitativen Messungen der Muskelaktivität mittels Oberflächen-Elektromyographie (sEMG) konnte dieser Vorteil des aktiven Modus gegenüber dem passiven Modus bisher nicht durch eine verringerte Aktivität der zum Senken des Arms notwendigen Muskulatur bestätigt werden. Gleichsam zeigen sEMGMessungen eine Reduktion der Muskelaktivität im Bereich der Schulter und des Rückens und somit eine Entlastung dieser Bereiche an.
Insgesamt konnte das Potenzial aktiver Exoskelette zur Unterstützung beim Heben, Halten und Tragen gegenüber passiven Exoskeletten bestätigt werden. Insbesondere bei hohen und wechselnden Lastgewichten sind aktive gegenüber passiven Exoskeletten vorteilhaft.
Aus methodischer Sicht konnte zudem dargestellt werden, dass sich die im Rahmen der Entwicklung von Exoskeletten auftretenden Prozesse an Hand wiederkehrender Handlungsmuster strukturieren lassen. Durch Orientierung an diesen wiederkehrenden Handlungsmustern konnte die Entwicklung über verschiedene technische Domänen (Mechanik, Antriebstechnik und Software) methodisch angeglichen werden und ein Transfer von Funktionen zwischen den Domänen erleichtert werden. Neben dieser übergeordneten methodischen Ausrichtung wurde zudem demonstriert, welchen Beitrag eine ganzheitliche, an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtete, Entwicklung von Exoskeletten und dabei insbesondere die Berücksichtigung von Erkenntnissen der Kognitionspsychologie und Biomechanik auf die Anforderungsklärung haben kann.
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