Effiziente Finite-Elemente-Simulation elektrischer Eigenschaften von biologischen Zellen im Radiofrequenzbereich: Von der Fakultät für Elektrotechnik der Helmut-Schmidt-Universität Universität der Bundeswehr Hamburg zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs genehmigte Dissertation vorgelegt von
Publication date
2020
Document type
PhD thesis (dissertation)
Author
Böhmelt, Sebastian
Advisor
Referee
Clemens, Markus
Granting institution
Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg
Exam date
2020-03-20
Organisational unit
Part of the university bibliography
✅
DDC Class
620 Ingenieurwissenschaften
Keyword
Dispersion
Finite-Elemente-Methode
Biologische Zellen
Elektroquasistatik
Abstract
Bei der Betrachtung von Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf biologisches Gewebe wurden bisher zum größten Teil thermische Effekte, wie z.B. die Verschiebung thermischer Gleichgewichte, wie sie auch bei der Erwärmung von Nahrungsmitteln in einer Mikrowelle auftreten, diskutiert. Die thermische Belastung von biologischem Gewebe wird mit der spezifischen Absorptionsrate als Maß für die aus der Strahlung absorbierte Leistung, bezogen auf die bestrahlte Masse, beschrieben. Die Untersuchung biologischer Auswirkungen infolge nicht thermischer Effekte blieb hingegen bislang auf wenige spezielle Phänomene beschränkt, wie z.B. die sogenannte Elektroporation, bei der die Lipidketten der Zellmembran gegeneinander verschoben werden, so dass das Transmembranpotential (TMP) der Zelle dramatisch fällt und die Zellmembran durchlässig wird.
Biologische Zellen können durch ihre frequenzabhängige Polarisierbarkeit in äußeren elektri-schen Wechselfeldern, die sich beispielsweise an der Dispersion (d.h., frequenzabhängigen Änderung) der Permittivität von Zellsuspensionen zeigt, charakterisiert werden. In einem Frequenzbereich von ca. 10 Kilohertz bis 10 Megahertz, wird der Frequenzgang der Permittivität von der mit steigender Frequenz zunehmend unvollständigen elektroquasistatischen Aufladung der schlecht leitfähigen Zellmembran bestimmt [1]. Diese beschriebene Polarisation der Zellmembran kann zu Auswirkungen auf den Zellstoffwechsel einer Zelle, z.B. durch Änderung des TMP, führen.
Um den Einfluss elektromagnetischer Felder auf Lebewesen bewerten zu können, werden neben der Betrachtung der vitalen Parameter des Organismus auch Untersuchungen auf mikroskopischer, d.h. auf Zellebene benötigt. Hier hat sich die Simulation biologischer Zellen neben der Forschung an lebenden oder kultivierten Organismen zu einer möglichen Alternative etabliert, da ethische Überlegungen unberücksichtigt bleiben können und der Kosten- und Zeitaufwand im Vergleich zu messtechnischen Methoden geringer ist.
Die in der Literatur diskutierten Ansätze zur Simulation elektrischer Eigenschaften biologischer Zellen [z.B. 2,3] führen bereits bei einzelnen Zellen zu sehr großem Rechenaufwand infolge des bereits hier auftretenden Multiskalenproblems. Dieses resultiert daraus, dass bei typischen Zellgrößen in der Größenordnung eines Mikrometers die für Polarisationseffekte entscheidende, elektrisch schlecht leitfähige Zellmembran lediglich eine Größe im einstelligen Nanometerbereich besitzt. Zudem besteht bei denen in der Literatur beschrieben Aspekten nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, Zellbestandteile und Zellformvariationen abzubilden [3]. In fast allen Fällen bezieht sich die aktuelle Forschung in diesem Bereich auf zeitharmonische elektrische Felder und berücksichtigt nicht transiente Zustände oder gepulste Signale.
In dieser Arbeit wird zur Lösung des Multiskalenproblems ein Verfahren, basierend auf der Gebietszerlegungsmethode (Domain Decomposition Method, DDM) nach Lions [4], entwickelt, welches Zellinneres, Zellmembran und Zelläußeres einer in Suspension befindlichen Zelle separat diskretisiert. Lösungen, die jeweils auf den Teilnetzen bestimmt werden, werden über ein iteratives Schema miteinander verknüpft, wobei die Kopplung zwischen benachbarten Gebieten über die Kontinuität der elektrischen Flussdichte und des elektrischen Strömungsfeldes erfolgt. Das Verfahren erlaubt insbesondere eine vollständige Parallelisierung aller Rechnungen auf den Teilgebieten. Da die Randwerte zur Gebietskopplung punktweise zu übertragen sind (Balanced DDM), ist die Entwicklung von Techniken erforderlich, um Werte sogenannter „unverschmolzener“ Netze, d.h., von Netzen, die am Koppelrand keine gemeinsamen Knoten aufweisen, ohne signifikanten Genauigkeitsverlust zu ermöglichen. Die zu koppelnden Netze weisen typischerweise stark unterschiedliche Feinheiten auf, da so eine deutliche Reduktion der Freiheitsgrade und somit der Rechenzeit erzielt werden kann. Entsprechende Verfahren werden in dieser Arbeit entwickelt und getestet.
Die iterative Kopplung zwischen den einzelnen Gebieten der DDM über Übergangsbedingungen elektrischer Feldgrößen schränkt nicht die Art des auf die Zelle einwirkenden Signals ein, und es werden sowohl zeitharmonische als auch allgemein zeitvariante Felder betrachtet. Die einzelnen, parallel behandelbaren Probleme auf den Zerlegungsgebieten werden jeweils mit einem Finite Elemente Algorithmus für die Maxwellgleichungen in der hier relevanten elektroquasistatischen (EQS) Näherung numerisch gelöst. So kann z.B. das Relaxationsverhalten verschiedenster Zelltypen in einem parallelisierten Prozessablauf berechnet werden.
Des Weiteren werden abgeleitet Größen, wie das Transmembranpotential der Zelle und die spezifische Absorptionsrate, diskutiert und die Ergebnisse des verwendeten skalierbaren Simulationsmodells bewertet. Durch eine ausgiebige Verifikation und Validierungen mit 2D und 3D Modellen wird in dieser Arbeit gezeigt, dass sich diese Methode umfangreich und effektiv zur Simulation biologischer Zellsysteme anwenden lässt. Auch eine Erweiterung auf andere EQS-Probleme liegt auf der Hand: So eignet sich die Methode ebenfalls für die Simulation von EQS-Feldern in der Halbleiterelektronik, wo ebenfalls stark unterschiedlich dimensionierte Schichten mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften auftreten, für die Simulation von Varistoren oder allgemein bei EQS-Problemen, bei denen Komponenten auf unterschiedlichen Skalen auftreten und Flächenaufladungsprozesse relevant sind, z.B. im Bereich der Energieüber-tragungstechnik [5].
[1] Hofmann, M.: Integrierte Impedanzspektroskopie aerober Zellkulturen in biotechnologischen Hochdurchsatzscreenings, Dissertation, RWTH-Aachen (2009)
[2] Asami, K.: Dielectric dispersion in biologicalcells of complex geometry simulated by the threedimensional finite difference method. J. Phys. D: Appl. Phys. 39, 492 – 499 (2006)
[3] Asami, K.: Dielectric properties of microvillous cells simulated by the three-dimensional finite-element method. Bioelectrochemistry81, 28 – 33 (2011)
[4] Lions, P.: On the Schwarz Alternating Method III: A Variant for Nonoverlapping Subdo-mains. In: Third Int. Symp. on Domain Decomposition Methods for Partial Differential Equa-tions, Vol. 3, 202 – 231 (1990)
[5] Clemens, M., Richter, C., Schmidtäusler, D., Schöps, S., Ye, H.: Aktuelle Entwicklungen zu numerischen Simulationsverfahren in der elektrischen Energieübertragungstechnik. 6. RCC Fachtagung Werkstoffe- Forschung und Entwicklung neuer Technologien zur Anwendung in der elektrischen Energietechnik, 307 – 312 (2015)
Biologische Zellen können durch ihre frequenzabhängige Polarisierbarkeit in äußeren elektri-schen Wechselfeldern, die sich beispielsweise an der Dispersion (d.h., frequenzabhängigen Änderung) der Permittivität von Zellsuspensionen zeigt, charakterisiert werden. In einem Frequenzbereich von ca. 10 Kilohertz bis 10 Megahertz, wird der Frequenzgang der Permittivität von der mit steigender Frequenz zunehmend unvollständigen elektroquasistatischen Aufladung der schlecht leitfähigen Zellmembran bestimmt [1]. Diese beschriebene Polarisation der Zellmembran kann zu Auswirkungen auf den Zellstoffwechsel einer Zelle, z.B. durch Änderung des TMP, führen.
Um den Einfluss elektromagnetischer Felder auf Lebewesen bewerten zu können, werden neben der Betrachtung der vitalen Parameter des Organismus auch Untersuchungen auf mikroskopischer, d.h. auf Zellebene benötigt. Hier hat sich die Simulation biologischer Zellen neben der Forschung an lebenden oder kultivierten Organismen zu einer möglichen Alternative etabliert, da ethische Überlegungen unberücksichtigt bleiben können und der Kosten- und Zeitaufwand im Vergleich zu messtechnischen Methoden geringer ist.
Die in der Literatur diskutierten Ansätze zur Simulation elektrischer Eigenschaften biologischer Zellen [z.B. 2,3] führen bereits bei einzelnen Zellen zu sehr großem Rechenaufwand infolge des bereits hier auftretenden Multiskalenproblems. Dieses resultiert daraus, dass bei typischen Zellgrößen in der Größenordnung eines Mikrometers die für Polarisationseffekte entscheidende, elektrisch schlecht leitfähige Zellmembran lediglich eine Größe im einstelligen Nanometerbereich besitzt. Zudem besteht bei denen in der Literatur beschrieben Aspekten nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, Zellbestandteile und Zellformvariationen abzubilden [3]. In fast allen Fällen bezieht sich die aktuelle Forschung in diesem Bereich auf zeitharmonische elektrische Felder und berücksichtigt nicht transiente Zustände oder gepulste Signale.
In dieser Arbeit wird zur Lösung des Multiskalenproblems ein Verfahren, basierend auf der Gebietszerlegungsmethode (Domain Decomposition Method, DDM) nach Lions [4], entwickelt, welches Zellinneres, Zellmembran und Zelläußeres einer in Suspension befindlichen Zelle separat diskretisiert. Lösungen, die jeweils auf den Teilnetzen bestimmt werden, werden über ein iteratives Schema miteinander verknüpft, wobei die Kopplung zwischen benachbarten Gebieten über die Kontinuität der elektrischen Flussdichte und des elektrischen Strömungsfeldes erfolgt. Das Verfahren erlaubt insbesondere eine vollständige Parallelisierung aller Rechnungen auf den Teilgebieten. Da die Randwerte zur Gebietskopplung punktweise zu übertragen sind (Balanced DDM), ist die Entwicklung von Techniken erforderlich, um Werte sogenannter „unverschmolzener“ Netze, d.h., von Netzen, die am Koppelrand keine gemeinsamen Knoten aufweisen, ohne signifikanten Genauigkeitsverlust zu ermöglichen. Die zu koppelnden Netze weisen typischerweise stark unterschiedliche Feinheiten auf, da so eine deutliche Reduktion der Freiheitsgrade und somit der Rechenzeit erzielt werden kann. Entsprechende Verfahren werden in dieser Arbeit entwickelt und getestet.
Die iterative Kopplung zwischen den einzelnen Gebieten der DDM über Übergangsbedingungen elektrischer Feldgrößen schränkt nicht die Art des auf die Zelle einwirkenden Signals ein, und es werden sowohl zeitharmonische als auch allgemein zeitvariante Felder betrachtet. Die einzelnen, parallel behandelbaren Probleme auf den Zerlegungsgebieten werden jeweils mit einem Finite Elemente Algorithmus für die Maxwellgleichungen in der hier relevanten elektroquasistatischen (EQS) Näherung numerisch gelöst. So kann z.B. das Relaxationsverhalten verschiedenster Zelltypen in einem parallelisierten Prozessablauf berechnet werden.
Des Weiteren werden abgeleitet Größen, wie das Transmembranpotential der Zelle und die spezifische Absorptionsrate, diskutiert und die Ergebnisse des verwendeten skalierbaren Simulationsmodells bewertet. Durch eine ausgiebige Verifikation und Validierungen mit 2D und 3D Modellen wird in dieser Arbeit gezeigt, dass sich diese Methode umfangreich und effektiv zur Simulation biologischer Zellsysteme anwenden lässt. Auch eine Erweiterung auf andere EQS-Probleme liegt auf der Hand: So eignet sich die Methode ebenfalls für die Simulation von EQS-Feldern in der Halbleiterelektronik, wo ebenfalls stark unterschiedlich dimensionierte Schichten mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften auftreten, für die Simulation von Varistoren oder allgemein bei EQS-Problemen, bei denen Komponenten auf unterschiedlichen Skalen auftreten und Flächenaufladungsprozesse relevant sind, z.B. im Bereich der Energieüber-tragungstechnik [5].
[1] Hofmann, M.: Integrierte Impedanzspektroskopie aerober Zellkulturen in biotechnologischen Hochdurchsatzscreenings, Dissertation, RWTH-Aachen (2009)
[2] Asami, K.: Dielectric dispersion in biologicalcells of complex geometry simulated by the threedimensional finite difference method. J. Phys. D: Appl. Phys. 39, 492 – 499 (2006)
[3] Asami, K.: Dielectric properties of microvillous cells simulated by the three-dimensional finite-element method. Bioelectrochemistry81, 28 – 33 (2011)
[4] Lions, P.: On the Schwarz Alternating Method III: A Variant for Nonoverlapping Subdo-mains. In: Third Int. Symp. on Domain Decomposition Methods for Partial Differential Equa-tions, Vol. 3, 202 – 231 (1990)
[5] Clemens, M., Richter, C., Schmidtäusler, D., Schöps, S., Ye, H.: Aktuelle Entwicklungen zu numerischen Simulationsverfahren in der elektrischen Energieübertragungstechnik. 6. RCC Fachtagung Werkstoffe- Forschung und Entwicklung neuer Technologien zur Anwendung in der elektrischen Energietechnik, 307 – 312 (2015)
Cite as
Erscheint auch als Druck-Ausgabe: Effiziente Finite-Elemente-Simulation elektrischer Eigenschaften von biologischen Zellen im Radiofrequenzbereich. - Hamburg, 2020. - v, 162 Seiten
Version
Not applicable (or unknown)
Access right on openHSU
Open access